ALSDORF. Einen Geburtstagsempfang wie zu seinem "50." und ein Jahrzehnt später wird es für Pastor Konrad Dreeßen bei Vollendung seines 65. Lebensjahres am nächsten Mittwoch nicht geben. Dafür sorgt Corona. Eine bei vielen zu diesem Ehrentag anstehende feierliche Verabschiedung aus dem Berufsleben steht ebenfalls nicht an. Dafür sorgt der Priestermangel im Bistum Aachen. "Wir machen in der Regel heute ohnehin weiter bis 67", sagt der Leiter des Pastoralteams in der Gemeinschaft der - katholischen - Gemeinden Alsdorf. Und ergänzt: "Vermutlich wird Bischof Dr. Dieser mich noch zeitlich darüber hinaus in die Pflicht nehmen". Er könne sich ein Weitermachen bis 70 vorstellen - "wenn es meine Gesundheit erlaubt".
Auf beides legt der aus Burtscheid stammende Seelsorger Wert: Die Bereitschaft, noch lange sein Bestes für die Kirche vor Ort zu geben - und sich gleichzeitig nicht zu übernehmen. 2010 war da ein besonderes Jahr in seinem Leben, in dem beide Linien sich überschritten. Dreeßen hatte gerade ein Mehr an Verantwortung in Alsdorf übernommen: die Leitung der entstandenen Großpfarre St. Castor und eine folgende krankheitsbedingte Zwangspause. Warum er das damals schaffte und weiter mit Elan bei der Sache ist? "Alsdorf und die Alsdorfer sind mir über die Jahre ans Herz gewachsen".
Das die Zusammenfassung der katholischen "Power" in Alsdorf einmal seine Berufung werde könnte, könnte ihm schon bald nach seiner Ernennung zum Kaplan an der Alsdorfer Hauptpfarrkirche St. Castor im Jahre 1985 bewusst geworden sein. Mit dem damaligen Pastor und zeitweiligen Dechanten Werner Buchholz begegnete ihm ein Kirchenmann, welcher der damaligen Zeit ein Stück voraus war. Der Antworten auf den sich abzeichnenden Priestermangel und Finanzprobleme der Einzelgemeinden fand und dabei seine persönliche Autorität in die Waagschale warf. Er hatte bereits 1981 Pastor Heinrich Wolters von St. Jakobus Warden zur Mit-Übernahme der vakanten Pfarrers-Stelle in St. Barbara Broicher Siedlung ermutigt. Als die Begau nach dem überraschenden Tod von Pastor Josef Delonge 1987 pfarrerlos dastand, übernahm Buchholz selbst die Verantwortung in St. Michael mit - obwohl St. Castor und die Begau in Alsdorf räumlich weit auseinanderlagen. Was hatte das alles mit dem damals 30-Jährigen Kaplan Konrad Dreeßen zu tun? Nun, recht viel. Denn er und die damals von Aachen nach Alsdorf gekommene Pastoralassistentin Bärbel Schumacher teilten sich mit Buchholz die Mehr-Arbeit in der Begau. Konrad Dreeßen: "Dieses Modell gemeinsamer Verantwortung bei neuen Aufgaben bewährte sich auch bei den nächsten nötigen Schritten des Zusammengehens". So etwa, als 1992 Pfarrer Leo Pitz krankheitsbedingt sein Amt in St. Josef Ost nicht weiterführen konnte und Konrad Dreeßen vom Bischof zum Nachfolger berufen wurde, aber weiterhin Kaplan in St. Castor blieb. Kurz danach wurden die "Castorianer" vor allem in der Begau vom neu nach Alsdorf gekommenen Pastor Heinrich Fimmers entlastet. Als dann noch Pastor Peter Kreutzer von Christkönig Busch nach der Erkrankung von Pfarrer Heyer auch St. Barbara Ofden bis zu seinem Weggang nach Aachen mit übernahm, war das Fundament eines tragfähigen Hauses gezimmert. Es etablierte sich unter dem Namen "Unio". Neben Pastor Werner Buchholz erstand Konrad Dreeßen in diesen Jahren mit Dr. Klaus Hemmerle ein zweites Vorbild. "Ich darf ihn den Bischof meines Seelsorger-Lebens nennen", bekennt Dreeßen. Er macht diese Verehrung an einem geistigen und einem menschlichen Ereignis mit dem populären Oberhirten aus Aachen fest. Das geistige war der Fastenhirtenbrief Hemmerles im Jahre 1989: "Das, was der Bischof mit dem Begriff ,Weggemeinschaft' benannte, war der theologische Überbau dessen, was Pastor Buchholz mit uns schon in den Anfängen praktizierte". Das menschliche war 1992 der Besuch Klaus Hemmerles bei der Barbara-Feier in St. Josef Ost - nur eine Woche vor der Ernennung von Kaplan Konrad Dreeßen zum Pfarrer dort.
Am Ende dieses verzweigten und nicht in allen Einzelheiten zu schildernden Prozesses, bei dem Dreeßen zwischenzeitlich zusätzlich Nachfolger des 2002 pensionierten Werner Buchholz in St. Castor geworden war, stand am 1. Januar 2010 die heutige gültige Rechtsform der Alsdorfer Pfarren. Aus vormals sechs Alt-Alsdorfer Pfarren mit eigenen Pastören wurde über die "Unio"-Zwischenstufen die Großgemeinde St. Castor mit einem einzigen verantwortlichen Pfarrer: Konrad Dreeßen. Aus den Pfarrgemeinden der Alt-Gemeinde Hoengen entstand zeitgleich eine neue Pfarre namens "Johannes XXIII", die sich seit der Heiligsprechung des namengebenden Konzilspapstes "St. Johannes XXIII." nennt. Das war keine einfache Geschichte. Dreeßen erinnert etwa an die kontrovers diskutierte Entscheidung für die verkehrstechnisch besser gelegene Kirche St. Marien als Mittelpunkt von St. Johannes XXIII. "Sicher gab es neben diesem einleuchtenden auch einen historischen Grund, St. Cornelius in Hoengen den Zuschlag zu geben", räumt Dreeßen ein. Historisch wie auch räumlich war indes die erfolgte Ausgliederung von St. Michael aus der früheren Unio mit St. Castor bei gleichzeitiger Vereinigung mit St. Johannes XIII. 2010 logisch. Konrad Dreeßen: "Aber auch hier flossen einige Tränen. Den Begauern war die Gemeinschaft mit St. Castor seit 1987 ans Herz gewachsen".
Innerhalb von 37 Jahren, in denen Konrad Dreeßen in Alsdorf tätig ist, sind aus 11 Pfarren im Stadtgebiet zwei Großpfarren geworden.
Als 2013 nach dem Weggang von Pastor Rainer Mohren "St. Johannes XXIII." ohne Pfarrer dastand und das Bistum keinen Nachfolger ernannte, stand die bisher letzte Stufe einer Entwicklung an: die Schaffung der Gemeinschaft der Gemeinden (GdG) Alsdorf als Dach der genannten zwei Großpfarren in Alt-Alsdorf und Alt-Hoengen. Als Leiter des Pastoralteams dieses Verbandes hat Konrad Dreeßen seitdem noch mehr Verantwortung für die Katholische Kirche in Alsdorf inne. Vom Bistum gesandte Verstärkungen erwiesen sich zunächst nur als kurzfristige Lösungen wie auch die unermüdliche Aushilfe von Ordens-Geistlichen aus Broich und Frelenberg. Mit Pfarrer Guido Fluthgraf, der vor rund vier Jahren aus Mönchengladbach nach Alsdorf kam, steht Dreeßen nun ein zweiter Priester zur Seite. Er ist mit Schwerpunkt in St. Johannes XXIII., aber auch in ganz Alsdorf im Einsatz. Damit, so Konrad Dreeßen, lebe der von Pastor Buchholz gelegte Keim der "Unio"-Idee in der GdG fort: Einer hilft dem anderen und alle sind für das Ganze verantwortlich. Team-Arbeit ist für Dreeßen in der Pastoral der Zukunft und vor Ort wichtig. "In diese Idee sind mit einbezogen die Priester, Pastoral- und GemeindereferentInnen, der Diakon wie der Koordinator, die kirchlichen MitarbeiterInnen wie Sekretärinnen, KüsterInnen und KirchenmusikerInnen." Den unermüdlichen Ehrenamtlern komme in diesen Zeiten des Umbruchs eine große Bedeutung zu. In Alsdorf ist man da in den Kirchenvorständen, im GdG-Rat und in den Gemeinderäten, bei BegräbnisdienstleiterInnen, WortgottesdienstleiterInnen sowie den weiblichen und männlichen Katecheten gut aufgestellt.
All dieses Engagement wird umso mehr nötig sein, wenn nach dem Ausklingen der Pandemie-Zeit wieder mehr Heilige Messen und Wortgottesdienste angeboten werden. Konrad Dreeßen: "Aus Sicherheits- und Hygienegründen waren seit zwei Jahren nur wenige Kirchen im Stadtgebiet für die Eucharistie geöffnet. Im März werden wir wieder Gottesdienste in allen elf Gebäuden anbieten!" Wobei das 11. Gebäude nicht mehr die entwidmete und bald zur Gräberkirche umgestaltete Kirche Mariä Heimsuchung ist, sondern der Gemeindesaal in der Paul-Dorn-Straße. Damit, so das "Geburtstagkind", ist auch Schaufenberg wieder fester Bestandteil der Alsdorfer Gottesdienst-Ordnung.
Das macht Hoffnung: Auch nach Corona, auch nach allen Fusionen bleibt in allen Alsdorfer Stadtteilen die Kirche im (eigenen) Dorf. Und in diesen Kirchen sind für Konrad Dreeßen alle willkommen und der Liebe Gottes teilhaftig - unabhängig von privatem Lebensmodell und geschlechtlicher Orientierung. "Ich habe keine Probleme mit der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare", sagt Dreeßen, der im letzten Jahr mit dem Hissen der Regenbogenfahne vor den Kirchen ein diesbezügliches Zeichen setzte. Und für ihn muss sich noch mehr tun in der krisengeschüttelten Kirche. Dreeßen zitiert einen Burtscheider Pfarrer aus Jugendtagen: Hugo Baurmann, für ihn ein weiteres Vorbild neben den genannten Verstorbenen Bischof Hemmerle, Werner Buchholz und Dr. Josef Vohn ("der hat mit seinem großen Wissen und seiner Erfahrung nach 2010 hier sehr geholfen"): "Man muss die kleinen Schritte selbst gehen. Man muss manches einfach tun". Vor 40 Jahren zum Beispiel seien weibliche Messdiener vielerorts noch ein Skandal gewesen. "Wir sind in St. Castor da früh vorangegangen und heute ist es normal". Ob vielleicht auch einmal Frauen Leitungsfunktionen, gar das Priesteramt übernehmen könnten? Der Pastor überlegt nicht lange: "Warum nicht?" Nur werde sich diese Auffassung nicht so schnell durchsetzen wie damals bei den Messdienerinnen, da es sich hier um Grundsätzliches gehe. Und dies erfordere Überlegung und mehr Zeit als die kleinen Schritte, die jetzt schon gegangen werden können.