In jener Zeit hielten sich die Pharisäer und einige Schriftgelehrte, die aus Jerusalem gekommen waren, bei Jesus auf.
Sie sahen, dass einige seiner Jünger ihr Brot mit unreinen, das heißt mit ungewaschenen Händen aßen. Die Pharisäer essen nämlich wie alle Juden nur, wenn sie vorher mit einer Handvoll Wasser die Hände gewaschen haben, wie es die Überlieferung der Alten vorschreibt. Auch wenn sie vom Markt kommen, essen sie nicht, ohne sich vorher zu waschen. Noch viele andere überlieferte Vorschriften halten sie ein, wie das Abspülen von Bechern, Krügen und Kesseln. Die Pharisäer und die Schriftgelehrten fragten ihn also: Warum halten sich deine Jünger nicht an die Überlieferung der Alten, sondern essen ihr Brot mit unreinen Händen? Er antwortete ihnen: Der Prophet Jesaja hatte recht mit dem, was er über euch Heuchler sagte: Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, sein Herz aber ist weit weg von mir. Es ist sinnlos, wie sie mich verehren; was sie lehren, sind Satzungen von Menschen. Ihr gebt Gottes Gebot preis und haltet euch an die Überlieferung der Menschen. Dann rief Jesus die Leute wieder zu sich und sagte: Hört mir alle zu und begreift, was ich sage: Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen; sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein. Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid, Verleumdung, Hochmut und Unvernunft. All dieses Böse kommt von innen und macht den Menschen unrein.
Liebe Schwestern und Brüder!
Wegen so einer Kleinigkeit lohnt es sich doch nicht zu streiten, mag sich mancher vielleicht beim Hören des Evangeliums gedacht haben. Was soll denn daran falsch sein, sich vor dem Essen die Hände zu waschen? Wir setzen uns doch auch mit sauberen Händen an den Tisch und verlangen das von den Kindern. Anstandsregeln, Tischsitten, Konventionen zeugen von Achtung voreinander, haben auch etwas mit Hygiene zu tun oder machen unser Miteinander erträglich oder gesittet. Manches tun wir, weil es eben sein muss, und Händewaschen vor dem Essen oder wenn man vom Markt kommt, muss eben sein. Und gerade seit der „Corona-Zeit“ hat das Händewaschen eine neue Aktualität, Notwendigkeit, ja, bei vielen auch zum Glück eine Selbstverständlichkeit bekommen. Hygiene wird bei vielen groß geschrieben.
Es gibt Traditionen und Bräuche, die gut und hilfreich sind, auch in unserem religiösen Leben. Zu wissen, wie man sich in einer Kirche verhält, wann wir im Gottesdienst stehen, sitzen oder knien, welche Bräuche bei einzelnen Festen dazugehören, all das ist gut und hilfreich für unsere Glaubenspraxis, das hat einen Sinn und gibt eine gewisse Vertrautheit. Denken wir an die Palmzweige, an den Adventskranz, an das Aschenkreuz, an vieles mehr.
Alles Vertraute kann aber so zur Routine werden, dass es zur bloßen Gewohnheit wird oder nur noch äußerlich geschieht.
Erleben wir das in Beziehungen zu anderen Menschen, dann kann das sogar sehr verletzend sein, wenn man sich zu bestimmten Gelegenheiten oder Festen nur deshalb besucht oder beschenkt, weil es schon immer so war.
Unser Evangelium spielt in der Gegend um den See Gennesaret. Im vorausgegangenen 6. Kapitel des Markusevangeliums wird von vielen Krankenheilungen berichtet und von der Speisung der 5000.
Der Bekanntheitsgrad von Jesus ist enorm gestiegen.
Man wird neugierig auf ihn.
Pharisäer und Schriftgelehrte kommen sogar von Jerusalem angereist und halten sich bei Jesus auf.
Was treibt sie dabei?
Wirkliches Interesse?
Oder Neugier und Kontrolle?
Auf jeden Fall sind sie in Sachen Glauben und Glaubenspraxis keine Laien, sie gehören zu jenen Gruppierungen innerhalb des Judentums, die sich mit größter Mühe und mit allen nur erdenklichen Anstrengungen um ein Gott wohlgefälliges Leben im Glauben sorgen. Deshalb weiteten sie in ihrer Lehre manche Vorschriften, die ursprünglich nur für Priester galten, auf alle aus.
Sie glaubten, dass nur ein reiner Mensch vor Gott treten durfte. Deshalb nehmen sie Anstoß am Verhalten der Jünger, und mit ihrer Frage an Jesus äußern sie indirekt Zweifel an seinem Anspruch.
Was Jesus allerdings in Rage bringt, ist nicht das Bemühen der Pharisäer, sondern vielmehr, dass sie der Gefahr erliegen, an bloßen Äußerlichkeiten festzuhalten, dass die sich in Spitzfindigkeiten verstricken und damit am eigentlichen Sinn der Gesetze und Gebote vorbei leben.
Gottes Gebote wollen Leben ermöglichen, erleichtern, seine Liebe zeigen und das Leben nur noch komplizierter machen oder gar den Blick auf Gott verstellen.
Was im Namen Gottes geschieht und für ihn getan wird, soll von Herzen kommen und nicht nur äußerlich sein.
Jesus hat die Gebote nicht abgeschafft, aber er hat die Prioritäten wieder hergestellt. Zum Beispiel, wenn er bei einer anderen Gelegenheit am Sabbat einen Menschen geheilt hat.
Das geht natürlich ans Eingemachte, das geht an das Gottesbild.
Ein Gott, dem man mit der Befolgung von über 600 Gesetzen zu gefallen sucht, gleicht eher einer Karikatur. Gott ist kein Anstandspedant, der Gott der Bibel hat sich mächtig, befreiende und erbarmend in der Geschichte seines Volkes gezeigt. Das Verhältnis zu diesem Gott lässt sich nicht über einen Gesetzeskatalog regeln, sondern ist eine Herzenssache.
Was aber geht uns heute dieser Streit an?
Uns, die wir uns doch eher gerne über manche Dinge hinwegsetzen.
Allerdings: In der Versuchung, in äußeren Gewohnheiten das Wichtigste zu sehen, stehen wir auch. In verschiedensten Zusammenhängen!
Darum können wir dieses Evangelium zum Anlass nehmen, über unsere eigenen Gewohnheiten und Bräuche, vielleicht auch über unser Gebet nachzudenken.
Gott braucht nicht viele Worte, auf das Herz kommt es an – und das ist keine Kleinigkeit!
Bärbel Schumacher