Nachdem Johannes der Täufer ausgeliefert worden war, ging Jesus nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!
Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er Simon und Andreas, den Bruder des Simon, die auf dem See ihre Netze auswarfen; sie waren nämlich Fischer.
Da sagte er zu ihnen: Kommt her, mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen. Und sogleich ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm nach.
Als er ein Stück weiterging, sah er Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren im Boot und richteten ihre Netze her.
Sogleich rief er sie und sie ließen ihren Vater Zebedäus mit seinen Tagelöhnern im Boot zurück und folgten Jesus nach.
Versuchen wir, uns Folgendes vorzustellen: Angenommen, es käme ein Mann auf der Straße auf Sie zu. Er würde sich höflich vorstellen und sagen: Guten Tag, ich bin Jesus von Nazareth. Ich haben Ihnen etwas Wichtiges zu sagen: Die Zeit ist erfüllt. Das Reich Gottes ist nahe. Kehren Sie um und glauben Sie an das Evangelium.
Und noch mehr hätte der Fremde zu sagen: Kommen Sie mit und folgen Sie mir nach. Ich werde Sie zu Menschenfischern machen.
Wie würden wir vermutlich darauf reagieren?
Zuerst einmal würden wir vielleicht denken: Ein merkwürdiger Mann. Vielleicht würden wir ihm dann sagen: Ihre Anfrage kommt jetzt aber denkbar ungelegen. Wir wollten eigentlich heute nur etwas spazieren gehen. Wir wollen jetzt nach Hause. Es tut uns leid.
Ganz anders reagieren die Jünger im Evangelium, das wir gerade gehört haben. Hier heißt es: Sogleich ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm. Noch andere ruft Jesus zu sich, auch sie folgen ihm sofort nach.
Der Evangelist Markus berichtet uns also recht karg und etwas holzschnittartig, wie Jesus seine ersten Jünger berufen hat. Um was ging es ihm dabei, dem Evangelisten? Der Evangelist Markus hat etwa um das Jahr 70 n. Chr. seine frohe Botschaft von Jesus Christus aufgeschrieben. Er hatte die ersten jungen Christengemeinden vor Augen. Die ersten Christen hatten sich schon zu fragen: Was ist eigentlich der Grund für unsere Sonderexistenz? Auf wen können wir uns zurückführen? Warum heben wir uns von den Heiden und den Juden ab?
Mit jener Berufungsgeschichte der beiden Brüderpaare Simon und Andreas, Jakobus und Johannes will der Evangelist Markus die ersten urchristlichen Gemeinden daran erinnern, dass es für sie nur einen Grund und ein Fundament gibt: Das Wort Jesu.
Und was bedeutet das Wort Jesu von der Nachfolge für uns heute, die Nachgeborenen? Da kommt so jemand, ruft einfach Menschen aus ihrem Beruf, aus ihrer Familie, aus ihrer Umwelt heraus. Er lässt ihnen keine Zeit für eine Auseinandersetzung.
Mit dem heutigen Evangelium wird uns aufgezeigt, dass jemand, der oder die sich für den Glauben an den Sohn Gottes entscheidet, sich voll und ganz für ihn und seine Botschaft entscheiden muss. Doch wie soll das gehen, alle leben doch in persönlichen Beziehungen zu anderen Menschen, zu Menschen, die ihnen liebgeworden sind: Beruf und Familie, die eigene Wohnung. Bin ich deswegen unglaubwürdiger als eben jene Fischer, die Jesus als seine Jünger in die Nachfolge beruft? Uns trennen 2000 Jahre von der Erfahrung, die die Jüngerinnen und Jünger mit Jesus selbst gemacht haben. Es wäre naiv zu meinen, man könnte diesen Graben überspringen und diese Spannung aufheben.
Jesus-Nachfolge kann heute verschiedene Gestalt haben, ob in der Familie, im Beruf, in der Mitarbeit in der Gemeinde oder in einem kirchlichen Beruf. Für uns alle aber gilt der Glaube an das Reich Gottes, dass ich mit meinem Tun Zeugnis für Jesus Christus ablege. Das wiederum kann ganz verschiedene Gestalt annehmen: Wenn ich für eine menschenfreundliche Atmosphäre sorge, wenn ich anderen hilfsbereit zur Seite stehe, wenn ich in Corona-Zeiten Kontakt halte, wenn ich Rücksicht nehme … und leider im Moment Abstand halte, wenn ich versuche, gerecht und friedvoll zu handeln, wenn Menschen spüren, dass Jesu Tod und Auferstehung in meinem Leben Bedeutung haben.
Ich muss sagen: Mich hat vergangene Woche das klare Bekenntnis von Joe Biden zum Glauben an Jesus Christus und auch das Bekenntnis zur Kirche beeindruckt.
Bei unserem Bemühen, Jesus nachzufolgen, befinden wir uns in bester Gesellschaft: selbst Menschen, die Jesus ganz unmittelbar erfahren haben, haben ihn mitunter enttäuscht, missverstanden, ja sogar verraten.
Natürlich kann man sich ganz nüchtern fragen – und es gibt genügend Zeitgenossen, die das tun: Was bringt denn alles Engagement?
Doch man kann sich auch fragen: Wie wäre es in unserer Welt, wenn es solches - auch mitunter erfolgloses – Engagement nicht gäbe?
Deshalb kann ich nur sagen: Es lohnt sich, auch wenn andere mit den Achseln zucken. Es lohnt sich, auch wenn andere sagen: ich will mir nicht die Finger verbrennen. Ich bin davon überzeugt, dass letztlich das Gute das letzte Wort haben muss. Jedes – auch noch so winzige – Engagement, ob bewusst oder unbewusst, ist wichtig und zählt.
Bärbel Schumacher