Ijob ergriff das Wort und sprach: Ist nicht Kriegsdienst des Menschen Leben auf der Erde? Sind nicht seine Tage die eines Tagelöhners?
Wie ein Knecht ist er, der nach Schatten lechzt, wie ein Tagelöhner, der auf den Lohn wartet.
So wurden Monde voll Enttäuschung mein Erbe, und Nächte voller Mühsal teilte man mir zu.
Lege ich mich nieder, sage ich: Wann darf ich aufstehn? Wird es Abend, bin ich gesättigt mit Unrast, bis es dämmert.
Schneller als das Weberschiffchen eilen meine Tage, der Faden geht aus, sie schwinden dahin.
Denk daran, dass mein Leben nur ein Hauch ist. Nie mehr schaut mein Auge Glück.
Sie wissen, was eine Hiobsbotschaft ist? Eine schreckliche Nachricht, die mich völlig aus der Bahn werfen kann: Die fristlose Kündigung des Arbeitsplatzes, die Nachricht, dass ich an einer unheilbaren Krankheit leide, der plötzliche Tod des Ehepartners oder eines Kindes. Viele Menschen haben im Moment den Eindruck, dass seit dem Corona-Ausbruch im vergangenen Jahr die Anzahl der Hiobsbotschaften drastisch zugenommen hat.
In der 1. Lesung dieses Sonntags lesen wir heute einige Zeilen aus dem Buch, das den Hiobsbotschaften ihren Namen gegeben hat, aus dem alttestamentlichen Buch Ijob oder Hiob.
Es ist kein einfaches Buch.
Es stellt viele Fragen, die Angst machen können, die zutiefst verunsichern. Und es gibt nicht viele und vor allem keine einfachen Antworten.
Eine weithin düstere, schwierige fast hoffnungslose Sicht der Dinge scheint auf. Wir hören einen Menschen, der in einer tiefen Verzweiflung steckt. Das machen schon die wenigen Zeilen der heutigen Lesung deutlich. „Ist nicht Kriegsdienst des Menschen Leben auf Erden? Sind nicht seine Tage die eines Tagelöhners? So wurden Monde voll Enttäuschung mein Erbe, und Nächte voller Mühsal teilte man mir zu. Nie mehr schaut mein Auge Glück.“
Worum geht es in diesem Buch Ijob? Hier kurz die Geschichte:
Es handelt von einem frommen, gottesfürchtigen, wohlhabenden Mann, der zunächst ein glückliches Leben führt.
Aber dann bricht das Schicksal über diesen Mann Ijob herein.
All sein Hab und Gut verliert er durch Diebstahl oder Katastrophen, seine Kinder kommen ums Lebens, er selbst wird von schlimmen Krankheiten heimgesucht. Am Ende versteht ihn seine eigene Frau nicht mehr. Freunde, die ihn besuchen, versuchen es mit frommem Trost, der ihn nicht tröstet.
Er hadert mit seinem Schicksal, klagt über das ungerechte Los, das ihn getroffen hat, streitet mit seinen Freunden, vor allem aber mit Gott, von dem er Antwort verlangt, warum er ihn, der doch nichts Unrechtes getan hat, so zugrunde gehen lässt.
Wirklich kein einfaches Thema, aber ein Thema, das uns Menschen betrifft:
Wann immer wir Menschen begegnen, die solch ein Schicksalsschlag getroffen hat, sind wir, wenn wir ehrlich sind, in hohem Maße hilflos.
Wir können weder viel sagen noch viel tun.
Wenn wir etwas zu sagen versuchen, spüren wir die Gefahr, dass es leer und hohl klingt, dass es zur Floskel erstarrt.
Und wenn wir selbst Betroffene sind, wenn die Fragen, die da aufsteigen, unsere eigenen sind, dann rüttelt das an den Grundlagen unserer Existenz, unserer Überzeugungen, unseres Glaubens:
Wie kann Gott so etwas zulassen? Gibt es überhaupt einen liebenden Gott, wenn mir so etwas zustößt? Wo bleibt da Gottes Gerechtigkeit und Güte? Welchen Sinn macht es, ein solches Leben weiterzuleben? Stimmt das eigentlich alles, was ich in guten Zeiten einmal geglaubt und gehofft habe? Darf ich als Christ überhaupt so etwas denken? Darf ich solche Fragen haben? Bin ich, wenn ich solche Zweifel spüre, überhaupt noch ein glaubender Mensch? War mein ganzer Glaube am Ende ein Irrtum?
Ijob stellt genau diese Fragen, er stellt sie vor allem Gott. In aller Härte wirft er ihm vor, ungerecht an ihm zu handeln, und er verlangt Antwort. Er will von Gott wissen, warum die Welt nicht besser und gerechter ist, warum es, trotz eines angeblichen gerechten Gottes,
solches Leid gibt, warum ihm solches Leid widerfährt.
Zwar stellt das Ijobbuch Fragen über Fragen, aber wenn man genau hinsieht, gibt es auch Antworten, wenn auch keine einfachen.
Wie weit die Antwort trägt? Fragen werden bleiben. Aber Gott ist nicht gegen uns. Er ist mit uns, auch in unseren Fragen, auch in unserem Leid. Und keiner hat dies mehr gelebt und durchlitten als Jesus Christus, Gottes Sohn.
Bärbel Schumacher