In jener Zeit kam ein Aussätziger zu Jesus und bat ihn um Hilfe; er fiel vor ihm auf die Knie und sagte: Wenn du willst, kannst du mich reinmachen. Jesus hatte Mitleid mit ihm; er streckte die Hand aus, berührte ihn und sagte: Ich will – werde rein! Sogleich verschwand der Aussatz und der Mann war rein. Jesus schickte ihn weg, wies ihn streng an und sagte zu ihm: Sieh, dass du niemandem etwas sagst, sondern geh, zeig dich dem Priester und bring für deine Reinigung dar, was Mose festgesetzt hat – ihnen zum Zeugnis. Der Mann aber ging weg und verkündete bei jeder Gelegenheit, was geschehen war; er verbreitete die Geschichte, sodass sich Jesus in keiner Stadt mehr zeigen konnte; er hielt sich nur noch an einsamen Orten auf. Dennoch kamen die Leute von überallher zu ihm.
Wer zur Zeit Jesu an Aussatz erkrankte, der bekam nicht nur eine todbringende Krankheit. Diese Krankheit bedeutete auch das Schlimmste, was einem Menschen widerfahren kann, nämlich den Ausschluss aus der Gemeinschaft und damit auch verbunden den Ausschluss aus der Gottesdienstgemeinschaft. Jesus hat keinerlei Berührungsängste hat mit einem aussätzigen Menschen ja, er lässt sich von seiner Not anrühren und schenkt ihm seine Liebe.
Der Evangelist Markus erzählt in den ersten Kapiteln seiner frohen Botschaft immer wieder davon, dass Jesus Menschen heilt und gesund macht, dass er sich ganz besonders den Kranken zuwendet und ihnen Gottes Liebe schenkt. So auch heute. Jesus schenkt dem aussätzigen Mann, der im Grunde genommen schon ein „lebendiger Toter“ war, seine Gesundheit wieder.
Schon in der Bitte des Mannes zeigt sich sein großes Vertrauen in die Macht Jesu: „Wenn du willst, kannst du machen, dass ich rein werde“ – Der Mann zeigt Mut: denn eigentlich durfte er sich anderen Menschen nicht mehr nähern Der aussätzige Mann traut Jesus diese Macht zu, und er weiß, dass das Reinwerden nicht nur heißt, dass sein Körper nicht mehr von unreinen, eitrigen Beulen bedeckt ist, sondern dass er auch in der Gemeinschaft wie „neu geboren“ ist.
Jesus streckt seine Hand aus – davon ist in der Bibel häufiger die Rede, wenn Menschen machtvoll – und in Gottes Auftrag handeln. Wie zum Beispiel Mose beim Durchzug durch das Rote Meer. Aber dabei bleibt Jesus nicht. Er geht weiter – und berührt den Aussätzigen. Er lässt sich von der Not anrühren und schenkt dem Mann die Nähe Gottes. Er zögert nicht, er berührt ihn, bringt sich – rein menschlich gesehen – damit in die Gefahr, sich anzustecken. Und diese Nähe Gottes ist es, die den Mann heilt.
Jesus erfüllt die Bitte des Mannes und macht ihn wieder rein. Was das im Letzten bedeutet, können wir heute kaum ermessen. Aber nach fast einem Jahr, in dem das Wort „Abstand“ und „Distanz“ in all unsere Begegnungen hinein zu spüren war, haben wir vielleicht eine Ahnung davon. Der Mann gehört wieder zur Gemeinschaft dazu. Darum darf er auch wieder am Gottesdienst teilnehmen.
Aus diesem Grund muss der Priester auch feststellen, dass er wieder sozusagen „kultfähig“ ist.
Gerade weil Krankheit und Sünde zur Zeit Jesu oft in einem engen Zusammenhang gesehen wurden, gerade darum erfährt der Aussätzige, dass Jesus ihn in einem umfassenden Sinn heilt und heil macht.
Der Mann gehört nun wieder zur Gemeinschaft dazu. Galt er vorher als „lebendiger Toter“, der völlig ausgeschlossen war aus der Familie und der Dorfgemeinschaft, so gehört er jetzt wieder dazu. Er erfährt wirklich Leben, wo alles nach Tod aussieht und riecht. Er spürt mitten im Leben, was Auferstehung bedeutet. Was für ein Fest muss das für den Aussätzigen gewesen sein. Er gehört nun wieder zur Gemeinschaft hinzu.
Was dann kommt, ist für unsere Ohren eher unverständlich: Jesus schärft dem Mann ein, niemand davon zu erzählen. Dieses Schweigegebot hören wir beim Evangelisten Markus häufiger. Es hängt bei ihm auch immer mit dem Tod und der Auferstehung Jesu zusammen. Wer dieser Jesus wirklich ist, das zeigt sich im Letzten in seinem Sieg über den Tod, im Geheimnis der Auferstehung Und im Grunde ist diese Heilungserzählung eine Auferstehungserfahrung mitten im Leben.
Menschlich völlig verständlich, dass der überglückliche Geheilte allen erzählt, was ihm geschehen ist.
Was nun kann das alles für uns heute bedeuten? Wer sind bei uns, in meinem Leben, in unseren Gemeinden die, die ausgeschlossen sind, die unansehnlich sind, die stören, mit denen wir nicht so gerne etwas zu tun haben? Sie gibt es auch bei uns. Fragen wir uns, welche Gesichter uns dabei einfallen? Kranke, Trauernde, Obdachlose, Drogenabhängige, Gescheiterte, ….
Papst Franziskus hat in einer ganz neuen und anrührenden Weise gezeigt, was es heißt, sich gerade
diesen Menschen zuzuwenden. Zum Beispiel, wenn er am Gründonnerstag ins Gefängnis gegangen ist und dort Menschen die Füße gewaschen hat. Oder wenn er nach Lampedusa gefahren ist. Stört uns ein solches Handeln auf? Was bewirkt das in uns?
Fragen wir uns einen Moment, wo in unserem konkreten Leben die Menschen sind, die an „Aussatz“ leiden. Fragen wir uns, wie wir sie „berühren“ …. Und welche Ideen wir haben, wie das auch unter den momentanen Bedingungen möglich ist.
Bärbel Schumacher