Gemeinschaft der Gemeinden Alsdorf

beten (c) www.pixabay.com

Impuls zum 18. Sonntag im Jahreskreis – 01./02. August 2020

beten
Datum:
Di. 28. Juli 2020
Von:
B. Schumacher

Evangelium: Mt 14, 13-21

In jener Zeit, als Jesus hörte, dass Johannes enthauptet worden war, fuhr er mit dem Boot in eine einsame Gegend, um allein zu sein. Aber die Leute in den Städten hörten davon und gingen ihm zu Fuß nach.

Als er ausstieg und die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen und heilte die Kranken, die bei ihnen waren. Als es Abend wurde, kamen die Jünger zu ihm und sagten: Der Ort ist abgelegen, und es ist schon spät geworden. Schick doch die Menschen weg, damit sie in die Dörfer gehen und sich etwas zu essen kaufen können. Jesus antwortete: Sie brauchen nicht wegzugehen. Gebt ihr ihnen zu essen! Sie sagten zu ihm: Wir haben nur fünf Brote und zwei Fische bei uns. Darauf antwortete er: Bringt sie her! Dann ordnete er an, die Leute sollten sich ins Gras setzen. Und er nahm die fünf Brote und die zwei Fische, blickte zum Himmel auf, sprach den Lobpreis, brach die Brote und gab sie den Jüngern; die Jünger aber gaben sie den Leuten, und alle aßen und wurden satt. Als die Jünger die übriggebliebenen Brotstücke einsammelten, wurden zwölf Körbe voll. Es waren etwa fünftausend Männer, die an dem Mahl teilnahmen, dazu noch Frauen und Kinder.

 

 

 

Einer der besten Fotografen der Welt hat einmal erklärt, was ein gutes Foto ausmacht.

Er meinte, ein gelungenes Bild würde jedem, auch dem einfachsten Betrachter, sofort zeigen, um was es ginge. Besonders Intelligente und Gebildete würden dann hinter der ersten Ebene noch weitere Aussagen entdecken können. So gesehen, liegt es auch im Auge des Betrachters, was in einem Bild zu sehen ist. Auch in der Geschichte der Brotvermehrung, die wir im Evangelium gehört haben, fängt alles mit dem Sehen an.

Jesus ist unterwegs und eigentlich möchte er seine Ruhe haben, aber als er „die vielen Menschen sah“, hatte er Mitleid.

Jesus sah sie. Na und, mag mancher fragen, ist daran etwas Besonderes? Ich sehe doch auch Menschen. Ich bin doch nicht blind. Stimmt. - Und doch: Sehen ist noch lange nicht gleich Sehen. Jesus hat nicht nur die Masse an Menschen gesehen, die da stand. Er hat auch nicht nur sein eigenes berechtigtes Interesse gesehen, endlich einmal etwas Zeit für sich zu haben.

In all seiner Erschöpfung und Bestürzung über den Tod des Johannes hatte er noch einen Blick für die Menschen um sich herum. Sah nicht nur das Augenscheinliche, sondern auch das dem ersten Blick Verborgene.

Wie anders ist das oft bei uns. Häufiger, als es gut ist, endet unser Sehen am Rande der Augen. Endet es dort, wo die Augen enden. Echtes Sehen aber führt die Bilder in die Tiefe, in das Innere. Das, was ich sehe, sinkt in mein Herz, in mein Denken, in mein Fühlen, in mein Handeln. „Man sieht nur mit dem Herzen gut“, verrät der Fuchs dem ,kleinen Prinzen’ im Märchen von Exupéry. Ein Sehen, das das Gesehene nicht zum inneren Bild macht, hat den Namen Sehen kaum verdient.

 

Das Sehen Jesu hat eine andere Qualität. Der zweite Halbsatz verrät es: „... hatte er Mitleid.“ - „Als Jesus die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen“. Was er sah, berührte ihn. Und im gleichen Augenblick entstand eine Beziehung zwischen ihm und den Menschen. Durch die Augen drangen die Menschen in das Herz Jesu.

 

Die Menschen berührten Jesus in seinem Herzen. Er hatte Mitgefühl. Mehr noch, was er sah, was ihn berührte, das bewegte ihn. Das setzte ihn in Bewegung, wurde helfende Liebe.

Es muss nicht immer so weit gehen. Oft ist es schon beglückend, heilend, wenn ich spüre, dass jemand mich ansieht und dass das, was er sieht, ihn berührt. Dass er sich freut, mich zu sehen. Dass meine Freude seine Freude weckt, mein Leid sein Mitleid.

Wie oft erleben Menschen, dass andere die Augen zumachen, wenn sie sie sehen, weil sie Angst haben: Wenn ich länger hinschaue, wenn ich wirklich hinschaue, wenn ich die Augen öffne, die hinter meinen Augen sind, wird etwas in mein Herz sinken. Darum sagen sie schnell: Ich kann das nicht mehr mit ansehen. Und sie schauen weg oder schließen die Augen. Sie verweigern sich.

 

Wohltuend ist, selbst wenn der andere nichts tun kann, wenn er machtlos ist, etwa bei einer schweren Krankheit, dass er wenigstens hinsieht, dass er sich betreffen lässt. Viele halten das kaum aus. Das Wissen, nicht helfen zu können, machtlos zu sein angesichts von Not und Leid, ist erschütternd. Wie einfach wäre es doch, jetzt nicht hinsehen zu müssen. Den Krankenbesuch kann man doch aufschieben, die Begegnung mit dem Trauernden umgehen, die Konfrontation mit dem Leidenden vermeiden.

Aber gerade die Begegnung mit dem Menschen in Not ist unter Umständen wichtig. Manchmal ist das Wahrgenommen-Werden, das Erspüren von Mitgefühl hilfreich und wirkt bereits wie ein kleines heilendes Wunder. Jemand sieht mich an in meiner Not, meiner Krankheit, meiner Trauer.

Da ist einer, der schaut nicht weg, der öffnet sein Herz, lässt sich von mir und von dem, was mich bewegt, anrühren. Mehr braucht es oft gar nicht. Nicht selten ist das bereits das Brot, von dem ich satt werde, das mich leben lässt. Mit dem Sehen fängt das Wunder an.

Bitten wir Gott darum, dass wir ein solches Sehen wieder lernen. Dass wir mit offenen Augen durch unsere Welt gehen. Dass wir die Nöte erkennen, die unsere Welt, unseren Ort und unsere Familien betreffen. Bitten wir vor allem um den Mut, unseren Blick nicht abzuwenden, sondern zu handeln, wo wir können, durch hilfreiche Taten, gute Worte und, wenn wir das nicht können, zumindest durch einen verstehenden, liebenden und mitfühlenden Blick.

 

Bärbel Schumacher