Gleich darauf drängte er die Jünger, ins Boot zu steigen und an das andere Ufer vorauszufahren. Inzwischen wollte er die Leute nach Hause schicken.
Nachdem er sie weggeschickt hatte, stieg er auf einen Berg, um für sich allein zu beten. Als es Abend wurde, war er allein dort.
Das Boot aber war schon viele Stadien vom Land entfernt und wurde von den Wellen hin und her geworfen; denn sie hatten Gegenwind.
In der vierten Nachtwache kam er zu ihnen; er ging auf dem See.
Als ihn die Jünger über den See kommen sahen, erschraken sie, weil sie meinten, es sei ein Gespenst, und sie schrien vor Angst.
Doch sogleich sprach Jesus zu ihnen und sagte: Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht!
Petrus erwiderte ihm und sagte: Herr, wenn du es bist, so befiehl, dass ich auf dem Wasser zu dir komme!
Jesus sagte: Komm! Da stieg Petrus aus dem Boot und kam über das Wasser zu Jesus.
Als er aber den heftigen Wind bemerkte, bekam er Angst.
Und als er begann unterzugehen, schrie er: Herr, rette mich!
Jesus streckte sofort die Hand aus, ergriff ihn und sagte zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?
Und als sie ins Boot gestiegen waren, legte sich der Wind.
Die Jünger im Boot aber fielen vor Jesus nieder und sagten: Wahrhaftig, Gottes Sohn bist du.
Zu Beginn des Sonntagsevangeliums ist Jesus gestresst.
Er wird von der einen Seite durch eine große Menschenmenge belagert, die von ihm Geschichten hören und Heilungen sehen und erleben möchte. Auf der anderen Seite bedrängen ihn seine Jünger, die weiter gehen wollen. Jesus versucht nun beiden Gruppen gerecht zu werden. Er schickt einerseits seine Freunde schon vor, damit er in der Zwischenzeit die Menschenmenge nach Hause schicken kann. Diese Situation kommt uns vielleicht auch bekannt vor, wenn wir wieder meinen, mehrere Sachen gleichzeitig erledigen müssten.
Nachdem Jesus alle Menschen fortgeschickt hat, geht er auf einen Berg, um dort zur Ruhe zu kommen. Er muss vermutlich durchatmen und tut dies im Gespräch mit Gott. Diese Eigenschaft Jesu kennen wir aus einigen anderen Geschichten. Jesus zieht es oft in die Einsamkeit auf einen Berg oder in die Wüste, wo er ungestört beten kann. Eine der bekanntesten Geschichten ist das Evangelium von Gründonnerstag. Nachdem Jesus mit
seinem Freunden und Vertrauten das Paschamahl zu sich genommen hat, zieht er auf den Ölberg, um dort in Ruhe zu beten. Hier bittet er Gott darum, dass er doch vom Leiden des Kreuzestodes verschont werden möge.
Dennoch gibt Jesus Gott die Macht zu entscheiden, was geschieht. Jesus zieht sich also oft in Krisen- und Stresssituationen zurück, er konzentriert sich wieder auf sich selbst, seine Bestimmung und spricht mit seinem Vater.
Die Jünger sind schon weit weg vom Land auf dem See unterwegs in einem Boot, das durch ein auftretendes Unwetter mit heftigem Sturm in Gefahr gerät. Jesus verspürt vermutlich was auf dem See passiert und er macht sich gegen Ende der Nacht auf den Weg zu seinen Freunden. Es ist jedoch außergewöhnlich, welches Fortbewegungsmittel er nutzt, denn er geht wider den physikalischen Gesetzmäßigkeiten zu Fuß über das Wasser.
Seine Jünger sehen ihn auf sich zukommen, und können ihn aber nicht erkennen. Sie erschrecken sich, sie haben Angst, denn sie denken es ist ein Ungeheuer – ein Gespenst – das auf sie zukommt. Jesus beruhigt sie und sagt ihnen, dass sie ihm vertrauen können. Eigentlich müsste die Situation nun gelöst sein, aber Petrus ist ein großer Zweifler und vertraut immer noch nicht darauf, dass es Jesus ist, der auf sie zukommt. Er stellt Jesus
auf die Probe und bittet ihn um einen Beweis, dass er es wirklich ist.
Dieser Beweis geht jedoch schief und zwar nicht, weil Jesus nicht in der Lage ist, die Probe zu bestehen, sondern weil Petrus ein Zweifler durch und durch ist. Er hat kein Vertrauen und geht wortwörtlich unter. Er könnte gleich ertrinken, aber er ruft schon nach Rettung, bevor wirkliche Gefahr droht. Petrus der Fels kann sich nur über Wasser halten, wenn der Herr zur Hilfe eilt, ihn bei der Hand ergreift.
Diese Geschichte greift voraus auf das Geschehen an Karfreitag. Petrus geht Jesus und seinen Wächtern hinterher bis in den Hof des Hohenpriesters, wo Jesus verurteilt werden soll. Hier verleugnet der zweifelnde und verängstigte Petrus Jesus dreimal und dadurch nimmt das Geschehen seinen Lauf. Auf dem Wasser wird Petrus gerettet, im Hof des Hohenpriesters verliert Petrus jedoch seine Seele, weil Jesus nicht mehr zur Stelle ist,
ihn ergreifen und retten kann.
Petrus aber wird von Jesus als kleingläubiger Zweifler bezichtigt. Und als die beiden das Boot besteigen, legte sich als letztes Zeichen der Gottesmacht der Wind. Die Jünger im Boot fallen vor Ehrfurcht vor Jesus niederund preisen ihn als Sohn Gottes.
Hierbei ist Petrus gleichzeitig Sprecher des Glaubens und Repräsentant der Furcht.
In der Figur des Petrus kann so die Brücke geschlagen werden vom einstigen Jünger Jesu, über das Ostergeschehen, bis zur Gründung der ersten christlichen Gemeinden nach Tod und Auferstehung Jesu. Durch die Verbreitung des Bekenntnisses, dass Jesus der Sohn
Gottes ist, sind die christlichen Gemeinden in Israel und überall auf der Welt entstanden, denn die Jünger und Apostel verkündeten erfolgreich alles das über das Reich Gottes, was Jesus ihnen mitgegeben und erzählt hatte.
Corinna Zens
Impuls zum 16. Sonntag im Jahreskreis